Der Begriff “sexualisierte Gewalt” mag für viele Leser zunächst ein ungewohnter Begriff sein, der oft mit sexueller Gewalt verwechselt wird. Die zwei beschriebenen Begriffe mögen auf dem ersten Blick als Synonyme gesehen werden, doch beide Begriffe sollten getrennt betrachtet werden. Eine genauere Unterscheidung des Begriffs ist zwingend notwendig, um eventuelle Episoden vorzubeugen und einer weiteren Eskalation des Erlebnisses im Alltag entgegenzuwirken.
In den folgenden Zeilen wird der Begriff genauer erklärt und Anhaltspunkte geliefert um Episoden von sexualisierter Gewalt zu erkennen.

Sexualisierte Gewalt, was ist das?
Sexualität ist eine der Facetten, die den Menschen als solches ausmacht und verbindet Menschen freiwillig miteinander, was sich im Verlauf in Lust und Liebe äußert. Obwohl Sexualität eine natürliche Ausprägung des Menschen ist, kann diese auch missbraucht werden. Sexualität kann sich von einem ursprünglichen Instrument der Nähe und Geborgenheit zum Zwangwerkzeug entwickeln, das Betroffene stark belastet und unter Druck setzen kann.
Obwohl es keine allgemeingültige Definition des Begriffs gibt, kann sexualisierte Gewalt als jegliche Form von Gewalt verstanden werden, die sich in sexuellen Übergriffen äußert. Die ausgeführten Handlungen haben einen sexuellen Bezug, wobei die Zustimmung bzw. das Verständnis des Betroffenen fehlen und nicht beachtet wird. Sexualisierte Gewalt ist daher als ein massiver Eingriff in die Intimsphäre einer anderen Person gegen ihren Willen zu betrachten.Diese Art von Gewalt wird damit der seelischen Gewalt (intern verlinken, Post #13) und körperlichen Gewalt nebengeordnet. Wer sexualisierte Gewalt jeglicher Art ausübt, macht sich strafbar, dazu zählt auch jede Person, die diese Handlung unterstützt.
Ist das nun sexualisierte oder sexuelle Gewalt?
Im Fall von Zwischenfällen die mit Sexualität einhergehen, tun sich direkt Betroffene oder Aufmerksame oft schwer die Sachlage richtig einzuschätzen. Handelt es sich beim gerade erlebten um sexuelle oder wiederum um sexualisierte Gewalt? Wie bereits oben beschrieben existiert keine allgemeingültige Definition. Man kann aber bei sexualisierter Gewalt sagen, dass es bei den Ausübenden nicht primär darum geht die eigene Sexualität zu befriedigen, sondern die andere Person zu erniedrigen und zu unterwerfen. Es handelt sich also um ein Instrument der Gewalt- und Machtdemonstration, die insbesondere Kindern und Jugendlichen aufgedrängt wird. Bei sexualisierter Gewalt an Kindern spricht man auch von sexuellem Missbrauch.
Die Beispiele im nächsten Abschnitt sollen dem Leser dabei helfen die Situation näher eingrenzen zu können.
Beispiele für sexualisierte Gewalt
Sexualisierte Gewalt kommt in verschiedenen Formen vor. Diese Ausprägungen unterliegen permanenten Wandlungen, daher ist in Zukunft mit einem Zuwachs der Formen zu rechnen. Zu den gängigsten Formen zählen:
- Aufdringliche und unangenehme Blicke
- Sexuelle Anspielungen
- Sexistische Bemerkungen
- Verwendung von obszönen Worten oder Gesten
- Belästigung sexueller Natur per Telefon, E-Mail oder über soziale Medien (Facebook, Instagram usw.)
- Sexualisierte Berührungen
- Grabschen
- Ungewolltes Küssen
- Erzwungenes Ausziehen
- Unerwünschtes Zeigen oder Zusenden von intimen Bildern (Bild und Video)
- Herstellung und Verbreitung von (Kinder-)pornographischem Material
Die gerade genannten Verhalten können einzeln vorkommen, treten aber häufig in Kombination vor, was weiteren Druck und Stress auf die betroffene Person ausübt. Solch ein Verhalten kann in gewissen Situationen weiter eskalieren und zu sexueller Gewalt führen.
Wer übt Gewalt aus?
Wie es bei direkt Betroffenen der Fall ist, so gibt es keine klare Abgrenzung wer als Gewaltausübender gelten kann. Ausübende von sexualisierter Gewalt gehören jeder Berufs- und Altersgruppe an. Eine eindeutige Abgrenzung und Kategorisierung der Ausübenden würde das Problem nur auf der Oberfläche vereinfachen, effektiv aber nie lösen.
Dies ist eine der wichtigsten Einsichten die direkt Betroffene oder Aufmerksame erlangen sollten.
Laut Statistiken, die in den letzten Jahren veröffentlicht wurden, finden die meisten Fälle im näheren Umfeld des Kindes oder jungen Erwachsenen statt. Es handelt sich z.B. um Verwandte, Nachbar*innen, Freund*innen der Familie oder Kolleg*innen. Häufig leben Ausübende und Betroffene unter ein und demselben Dach.
Umso wichtiger ist es zu verstehen, dass die Taten in den meisten Fällen langfristig und strategisch geplant sind. Betroffene werden oft von derselben Person mehrfach und zunehmend intensiver belästigt. Da es sich im Hintergrund um Taten und Handlungen handelt, die das Ziel haben, die betroffene Person einzuschüchtern und zu kontrollieren. Betroffene fühlen sich für das gerade erlebte schuldig. Schuldgefühle verschlimmern die Situation noch zusätzlich, da die Tat somit nicht bekannt gemacht wird und der Ausübende weiterhin unbekümmert weitere Personen belästigen kann.
Ausübende von Gewalt nutzen ihre Machtposition aus, um eigene Bedürfnisse auf Kosten des Kindes bzw. des Jugendlichen zu befriedigen.
Wer ist davon gefährdet?
Keine Person ist vor sexualisierter Gewalt sicher. Ob Frau oder Mann, jung oder alt, gleichgültig welcher Religion oder Nationalität man auch angehören mag, jeder kann davon betroffen sein. Gewalt kann in der Öffentlichkeit wie auch im privaten Bereich stattfinden. Es gibt aber gewisse Personengruppen, die von dieser Art von Gewalt besonders gefährdet sind.
Sexualisierte Gewalt findet deshalb oft in Abhängigkeitsverhältnissen statt. Mädchen und (junge) Frauen mit Beeinträchtigung oder Behinderung gehören deshalb zu den besonders gefährdeten Personengruppen.
Je nach zitierter Quelle passieren zwischen 80 und 90 % aller Fälle im sozialen Nahbereich. Viele Kinder und Jugendliche erfahren sexualisierte Gewalt also durch Familienangehörige oder Freund*innen der Familie. Zwischenfälle durch andere Bezugspersonen in Sportvereinen, in der Kita oder in der Schule sind nicht auszuschließen. In etwa einem Drittel der Fälle geht sexualisierte Gewalt von Jugendlichen und Heranwachsenden direkt aus.Um zu einer Lösung des Gewaltproblems in den eigenen vier Wänden beizutragen ist es zwingend notwendig die jeweiligen Erlebnisse zu verstehen und jede Gewaltepisode aufzuzeigen. Nur so kann ein gesellschaftlicher Wandel stattfinden, wo das Thema nicht unter dem Teppich gekehrt wird, sondern Hilfeleistung schnell und zuverlässig geboten wird.
Leave a Reply