Wir alle kennen die Situation zu gut: an einem Tag erlebt man etwas besonderes und wichtiges, doch schon nach einigen Tagen verblassen unsere Erinnerungen zu diesem bestimmten Ereignis. Es fällt einem schwer sich an Details oder an den Ablauf einer Situation zu erinnern. Je mehr Zeit verstreicht, desto weniger Details behalten wir in unseren Köpfen. Später wird uns klar, dass Notizen zum Ereignis eine wichtige Stütze gegen das Vergessen sein können.
Zu diesem Zweck finden im Alltag Gedächtnisprotokolle mehr und mehr Verwendung, da sie nach privaten Zwischenfällen, wie z.B. nach Autounfällen oder mündlich getroffenen Vereinbarungen, Menschen dabei helfen, sich an genauere Details zu erinnern. Gerade wenn es um das Thema häusliche Gewalt geht, kann die Führung eines solchen Dokumentes Betroffenen helfen, Gewaltepisoden zu dokumentieren und anschließend aufzuzeigen.In den nächsten Zeilen vertiefen wir das Thema und zeigen, wie man ein Gedächtnisprotokoll anlegen kann.

Was ist ein Gedächtnisprotokoll
Ein Gedächtnisprotokoll, oft auch Erinnerungsprotokoll genannt, ist eine subjektive, schriftliche Darstellung eines Vorfalls, welche auf persönliche Erinnerungen und Aufzeichnungen basiert. Diese spezielle Form von Protokoll dient primär privaten Zwecken und bleibt in der Regel im Besitz des Verfassers, d.h. es wird nicht mit anderen Personen ausgetauscht.
Falls man ein wichtiges Ereignis erfährt ist es nützlich im Anschluss die Situation so detailliert wie möglich zu dokumentieren und Erinnerungen so zu notieren, dass man später auf sie zurückgreifen kann. So beugt man dem Vergessen von wichtigen Details vor. Denn je länger ein bestimmtes Ereignis zurückliegt, desto schwammiger werden unsere Erinnerungen und wir tendieren als Menschen dazu, die Bedeutung einer Situation herunterzuspielen. Wenn man es sich zur Gewohnheit macht Eindrücke und Details nach einem Vorfall zu dokumentieren ist man eher in der Lage die Situation ausführlich zu schildern als wenn man es einen Tag später tut. Eindrücke, die schriftlich festgehalten werden, haben eine größere Aussagekraft und können zu einem späteren Zeitpunkt ohne Verlust von Informationen wieder aufgerufen werden.
Der Einsatz von Gedächtnisprotokollen bei häuslicher Gewalt
Obwohl der Einsatz von Gedächtnisprotokollen dazu dienen kann, sich Vorkommnisse im Arbeitsalltag persönlich festzuhalten oder getroffene Abmachungen im Familienalltag nicht zu vergessen, ist der Einsatz einer solchen Gedächtnisstütze besonders bei Fällen von häuslicher Gewalt nützlich und empfohlen.
Im Falle von häuslicher Gewalt, fühlen sich Betroffene oft überfordert und sind schlecht in der Lage sich Hilfe von außen zu holen.
Ein Gedächtnisprotokoll dient Betroffenen in erster Linie als einer Art “persönliches Tagebuch”, in dem alle Zwischenfälle detailliert notiert werden und wirken der menschlichen Neigung Dinge zu vergessen entgegen. Falls Menschen, die Gewalt Zuhause erfahren bzw. erfahren haben, ein Erinnerungsprotokoll führen, ist es weniger wahrscheinlich, dass ein oder mehrere Ereignisse verharmlost, umgeschrieben oder gar vergessen werden. Niedergeschriebenes lügt nicht und hilft, selbst wenn Betroffene noch keine Hilfsangebote in Anspruch nehmen oder gar die Polizei einschalten wollen.
Dieses Instrument zeigt die eigentliche Kraft sobald sich Betroffene effektiv dazu entscheiden Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen. Falls sich z.B. Jugendliche nach mehrfachen Belästigungen Zuhause an ein Jugendzentrum wenden sollten und in der Lage sind ein Gedächtnisprotokoll vorzulegen, dann können Fachleute leichter die Situation einschätzen und spezifische Hilfestellung bieten. Je besser die Situation eingeschätzt werden kann, desto früher kann an einer Lösung des Problems gearbeitet werden.Detaillierte Angaben sind die wichtigsten Beweismittel in einem Strafverfahren (intern verlinken, Post #11). Nur mit einer ausreichenden Beweislast ist es möglich, Gewalt in den eigenen vier Wänden ein Ende zu setzen. Allein deshalb ist es wichtig, an diesem Punkt besonders sorgfältig zu sein.
Wie ist ein Gedächtnisprotokoll aufgebaut
Wie bereits oben genannt, handelt es sich bei Gedächtnisprotokollen um persönliche und subjektive Darstellungen von Erinnerungen. Daher gibt es keine festen Regeln, die man einhalten muss. Die Einhaltung von ein paar einfachen Richtlinien ist alles, was man braucht, um auch zu einem späteren Zeitpunkt vom Gedächtnisprotokoll zu profitieren:
- Wann und wo wird das Protokoll geschrieben: Man beginnt damit, dass alle Angaben zu Ort, Datum und eigenem Aufenthaltsort festgehalten werden. Dadurch kann das Abrufen der fortlaufenden Fakten zu einem späteren Punkt leichter erfolgen.
- Ort, Datum und Uhrzeit der Gewalt: Hier wird notiert, wann und wo eine oder mehrere Personen von Gewalt betroffen waren.
- Beschreibung des Zwischenfalls: Was ist genau geschehen? Wurde z.B. körperliche Gewalt ausgeübt? Wurde ich beleidigt? Was war der mögliche Auslöser für die Diskussion, Streit und/oder Auseinandersetzung?
- Zeitlicher Verlauf des Zwischenfalls: Wie hat sich der Zwischenfall zeitlich entwickelt? Hat die Situation z.B. nur 5 Minuten gedauert oder dauerte die Gewalt länger? Wer hat wann was getan?
- Räumlicher Verlauf des Zwischenfalls: Wo hat sich der Zwischenfall ereignet bzw. wo hat dieser begonnen? Hat sich die Situation ausgehend von einem Ort auch in einen anderen Ort des Hauses verlagert? Wer hat wo was getan?
- Sachlicher Verlauf des Zwischenfalls: Wie wurde Gewalt ausgeübt? Wurde jemand geschlagen oder verletzt? Was sagten alle beteiligten Personen genau? Wurden Gegenstände geworfen? Gab es Schäden an der Wohnung?
- Auffälligkeiten und Besonderheiten: Wie war die allgemeine Stimmung? Waren Alkohol oder Drogen im Spiel? Fand die Gewalt zum vermehrten Mal statt? War der Ablauf ähnlich wie die letzten Male?
- Mögliche Zeug*innen: gibt es Menschen, die die Gewaltsituation miterlebt haben? Gibt es andere Personen die als Zeugen aussagen?
- Verhalten nach der Tat: Was haben Betroffene und Gewaltausübende nach der Tat gemacht?
Verfasser*innen sollten im Bestfall immer komplette Sätze formulieren, daraus einen Text verfassen und dabei Stichpunkte zueinander in Bezug setzen. Nützlich kann auch eine Zusammenfassung am Ende des Protokolls sein. Betroffene von häuslicher Gewalt sind eine besonders empfindliche Zielgruppe, daher muss immer sichergestellt werden, dass all die erfassten Notizen und Beweise zu einem Vorfall gesammelt an einem Ort aufbewahrt werden. Falls eine digitale Datei gehalten wird, dann kann die Datei per zusätzlichem Passwort gesichert werden. Dies vermeidet, dass ungebetene Leser sich Zugriff zur Datei verschaffen können.
Sprachnotizen, Fotos und Videos können als wichtige Ergänzung des schriftlichen Protokolls dienen.
Je zeitnäher ein solches Protokoll verfasst wird, desto exakter und verlässlicher ist es, da die Erinnerungen noch frisch sind. Im Bild unten ein Beispiel wie ein Gedächtnisprotokoll aussehen könnte:

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