Bin ich von wirtschaftlicher Gewalt betroffen? Mit dieser Frage werden täglich Fachpersonen und Hilfspersonen konfrontiert, die Betroffenen dabei helfen, einen Ausweg aus einer Gewaltsituation zu finden. In der Gesellschaft und in den Medien hingegen wird aber noch zu wenig darüber gesprochen. Worum geht’s denn hier genau? Was ist gemeint, wenn Betroffene wirtschaftliche Gewalt erfahren? Wie zeigt sich denn diese Art von Gewalt genau?Das Team von SOS@Home ist auch hier bemüht, eine genaue Definition über diese Art von Gewalt zu geben. In den folgenden Zeilen gehen wir auf das Thema ein. Es folgen genauere Angaben zu Hintergründe und Folgen.

Wenn Geld zum Druckmittel wird
Allgemein sprechen wir von Gewalt, wenn in einer Beziehung Macht und Kontrolle im Spiel sind und eine oder mehrere Personen Druck auf andere Personen ausüben wollen. Ziel der Gewalt ist es in gewisser Weise Kontrolle auszuüben.
Wirtschaftliche Gewalt ist eine besondere Ausprägung von seelischer Gewalt (intern verlinken, Post #13), die darauf abzielt, Betroffene zu kontrollieren und unter Druck zu setzen. Zeitungen und andere Medien verwenden hier oft den Begriff ökonomische oder finanzielle Gewalt dafür.
Gewaltbeziehungen können in unterschiedlicher Weise stattfinden, eine Variante davon ist die Ausübung von Macht und Kontrolle über Geld im Haushalt, auch wirtschaftliche Gewalt genannt. Dadurch entsteht bei Betroffenen oft finanzielle Abhängigkeit, welche die Freiheit und das Wohlbefinden stark beeinflussen.
Folgende Beispiele können als wirtschaftliche Gewalt identifiziert werden:
- Bereitstellung von ungenügenden Geldmitteln für den Unterhalt/ Haushalt
- Strikte Kontrolle über Ausgaben die getätigt werden
- Verbot von Einkäufen jeglicher Art
- Geld oder Wertsachen (z.B. Schmuck) wegnehmen
- Verkauf von Wertsachen, die einer anderen Person gehören
- Verbot oder Verhinderung von Arbeit
- Verbot oder Verhinderung von Ausbildung
- Zugriff auf ein gemeinsames Konto verbieten
- Arbeitskraft ausnutzen ohne angemessener Bezahlung/ Entlohnung
Bei den gerade genannten Beispielen handelt es sich nicht um eine komplette Liste von Verhalten, die auf wirtschaftliche Gewalt hinweisen. Dem Leser soll hier aber ersichtlich sein, dass in solchen Situationen die Freiheit eines Menschen stark eingegrenzt wird.
Geld entwickelt sich zu einem Werkzeug um Menschen zu kontrollieren.
Im nächsten Abschnitt gehen wir genauer auf die Frage ein, wer von wirtschaftlicher Gewalt am meisten betroffen sein kann.
Wer ist davon betroffen?
Wie es bereits der Fall bei körperlicher, seelischer oder sexueller Gewalt der Fall ist, ist keine Person vor wirtschaftlicher Gewalt sicher. Es gibt aber durchaus gewisse Personengruppen, die dem Risiko stärker ausgesetzt sind, finanzielle Gewalt zu erfahren. Umso wichtiger ist es zu verstehen, wie finanzielle Nötigung oder Abhängigkeit Zuhause entstehen kann.
In den letzten Jahren haben Strafanzeigen und Umfragen gezeigt, dass Männer eher geneigt sind wirtschaftliche Gewalt gegenüber Partner*innen ausüben. Leider zu oft sind auch Kinder und Jugendliche betroffen, die unter demselben Dach leben. Hier wird eine strikte Kontrolle auf Güter und Finanzmittel ausgeübt. Die Folge ist nicht genügend Geld um den Unterhalt der Familie zu finanzieren.
Finanzielle Gewalt liegt auch vor, wenn eine Frau Arbeit Zuhause oder im Beruf verrichtet, ihr aber kein Geld und Einsatz anerkannt wird. Oft wird auch Druck ausgeübt um eine Erwerbstätigkeit einzuschränken, aufzugeben oder aufzunehmen. Frauen aus einkommensschwachen Haushalten sind oft mit fehlendem Geld und Druck Zuhause konfrontiert. Faktoren wie Bildungsstand, Sprachkenntnisse und kulturelle Gebräuche können dazu beitragen, dass der Grad der finanziellen Gewalt mehr oder weniger stark ausfällt.
Betroffene befinden sich in einer Situation von starker Unsicherheit und finden nicht den Mut den Haushalt zu verlassen.
Die Angst, nicht für sich selbst oder Kinder sorgen zu können, erschwert das Verlassen einer gewalttätigen Beziehung.
Personen mit einem Migrationshintergrund haben womöglich zusätzlich Probleme hinsichtlich ihres Aufenthaltsstatus zu befürchten. Es besteht die Gefahr ohne gültige Aufenthaltsgenehmigung das Land verlassen zu müssen.
Unabhängig davon wer genau finanzielle Gewalt erfährt, sind die Folgen davon ernst zu nehmen.
Folgen von wirtschaftlicher Gewalt
Finanzielle Gewalt ist schleichend und am Anfang schwer beobachtbar. Wie jede Art von Gefahr wird diese gerne und oft in der Gesellschaft tabuisiert. Tatsache ist, dass Betroffene oft in Beziehungen verarmen. Sorgen und Angst um die Zukunft machen Menschen unsicher. Finanzielle Unterdrückung und Abhängigkeit sind und bleiben ernstzunehmende Vorfälle.
Wer von dieser Art von Gewalt direkt betroffen ist, weiß, dass diese Erfahrung demütigend ist. Druck auf das Geld Zuhause auszuüben schwächt das Selbstbewusstsein und macht auf lange Sicht krank. Neben einer weiterhin steigenden Einkommenslücke (Lohnschere) zwischen Mann und Frau, tun sich Betroffene schwer, Hilfe von außen zu holen um die eigene Situation zu verbessern.
Doch wie viele Geschichten zeigen, hoffen viele, dass sich die Situation von alleine ändert. Auswege aus der Gewalt werden kaum wahrgenommen. Doch es gilt genau hinzuschauen und zu handeln.
Menschen die wirtschaftliche Gewalt erfahren bzw. erfahren mussten leiden häufig unter anhaltenden Ängsten und Verunsicherungen. Die erlebten Zustände sind vielfach verbunden mit:
- Schlafstörungen
- Magenschmerzen
- Appetitlosigkeit
- Gesteigerter Nervosität
- Konzentrationsmangel
- Angstzustände
- Depressionen
Beschwerden können selbst lange nach zurückliegenden Gewalterfahrungen – zum Beispiel in Kindheit und Jugend – noch auftreten. Betroffene – darunter insbesondere Frauen – führen viele Jahre ein Leben in Isolation und ständiger Kontrolle. Sorgen um weitere Familienangehörige und die Zukunft hält viele davon ab, aus der Partnerschaft auszusteigen.
Im deutschen Raum gibt es spezialisierte Ämter und Fachspezialisten, die helfen können. Darauf gehen wir im nächsten Abschnitt genauer ein.
Wie kann ich mich vor ökonomischer Gewalt schützen?
Wie wir das bereits mit diesem Beitrag versuchen, ist es uns von zentraler Bedeutung Betroffenen zu helfen. Hilfreiche und ausführlich verfasste Texte zu veröffentlichen ist ein erster wichtiger Punkt. Wie das bei anderen Formen von Gewalt (siehe dazu unsere weiterführende Beiträge weiter unten) der Fall ist, beginnt die Lösung eines Problems indem man sich über das Problem selbst informiert. Ausgehend von den erhaltenen Informationen, fällt es den Betroffenen häufiger leichter Hilfe von außen zu suchen.
Habe den Mut und hole dir Hilfe! Gesunde und dauerhafte Beziehungen/Partnerschaften gründen auf gegenseitigem Respekt. Gleichstellung beim Umgang mit Geld und gemeinsamen Güter gehört auch dazu. Nutze die Angebote, die unsere Webseite und andere Anbieter aufzeigen und beschließe für dich der Gewalt ein Ende zu setzen. Genau an dieser Stelle alle Hilfsmöglichkeiten aufzulisten, würden den Rahmen dieses Artikels sprengen. Dafür sind weiterführende Beiträge vorgesehen und werden zum Teil direkt am Ende dieses Beitrag aufgelistet. Eins ist aber sicher: Ein persönliches Umdenken hat bereits vielen Menschen geholfen, die eigene Situation in eine positive(re) Lage zu ändern.Wie immer gilt der Vorsatz “Deine Sicherheit geht vor“. Falls du dich in einer akuten Situation befinden solltest muss die Polizei unter der Nummer 110 eingeschalten werden. Um im Vorweg bereits auf eine solche Situation vorbereitet zu sein, empfehlen wir die Lektüre des dafür speziell erfassten Beitrages: Wie verhalte ich mich richtig bei akuter Gefahr?
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