“Ständig gibt es nur Streit Zuhause.”
“Ich habe den Eindruck, keinen interessierts, wie es mir gerade geht!”
“Es war nicht meine Schuld, doch ich werde trotzdem angeschrien…”
“Jedes Mal, wenn ich was sage, folgt eine Beleidigung, die ich nicht verdient habe.”
Vielleicht haben du oder ein Familienangehöriger die eine oder ähnliche Äußerungen schon mal Zuhause gehört?
Eventuell hörst du oder verwendest diese und ähnliche Sätze sehr oft, vielleicht täglich? Belastet es dich, dass die Kommunikation Zuhause gerade nicht so läuft, wie du es gerne hättest? Du bist hier nicht alleine. Konflikte und Stress Zuhause betreffen viele Menschen.All diese Auseinandersetzungen, ob in der Schule, in der Partnerschaft, oder in der eigenen Familie, finden sehr oft statt. Das Team von SOS@Home klärt, welches Problem dahinter steht. Wir zeigen auch, wie eine gewaltfreie Kommunikation Zuhause möglich sein kann.

Wieso entstehen Auseinandersetzungen und Streit?
Konflikte kommen in unserem Alltag praktisch täglich vor. Streit und Auseinandersetzungen zwischen Erwachsenen, Partner*innen, Familienangehörigen und Kindern finden in jedem Haushalt statt. Bereits Kinder im Kindergarten müssen lernen mit anderen Mitmenschen auszukommen. Zuhause leben vermutlich mehrere Menschen miteinander. Eltern müssen sich neben der Arbeit und anderen Alltagsverpflichtungen auch um ihre Kinder kümmern. Dass hier ab und zu Spannungen und Stress entstehen, ist keine Seltenheit. Zwar sind Auseinandersetzungen zunächst völlig normal, da sie zeigen, dass unterschiedliche Personen unterschiedliche Bedürfnisse haben, oft lassen sich diese Bedürfnisse aber schwierig oder nicht miteinander vereinbaren. Meistens legt sich der Streit und die Menschen versöhnen sich wieder. Das Leben geht wieder wie gewohnt weiter, ohne größere Einschränkungen.
Schwierig wird es, wenn Gefühle verletzt werden aber Menschen nicht gelernt haben, die vorhandenen Problemen anzugehen.
So kann es vorkommen, dass aus eigentlich harmlosen oder kleinen Missverständnissen schwere Auseinandersetzungen werden. Falls man nicht an einer gemeinsamen Lösung des Streites arbeitet, kann es vorkommen, dass ein Streit kaum mehr beigelegt werden kann.
Dahinter steht das Problem, dass Menschen oft “falsch” miteinander kommunizieren und Botschaften nicht wie beabsichtigt beim Empfänger ankommen. Kommunizieren bedeutet weit mehr als einfach zu sagen, was man will und was nicht. Gute bzw. zielführende Kommunikation beinhaltet vielmehr. Auch die Art und Weise, wie wir anderen etwas mitteilen. Diesem Thema widmen wir uns im nächsten Absatz.
Gewaltfrei kommunizieren heißt andere Menschen verstehen
Diese Kommunikationsmethode wurde vom amerikanischen Psychologen Marshall Rosenberg erfunden. Hinter der gewaltfreien Kommunikation steckt immer ein positiver Grundgedanke: Alle Menschen haben von Natur aus Freude daran, Einfühlsamkeit zu zeigen und zu spüren. Nur manchmal verlieren Menschen den Kontakt zu diesem einfühlsamen Teil.Falls die Methode richtig angewendet wird, so schenkst du deinen Gesprächspartnern deine respektvolle und einfühlsame Aufmerksamkeit. Die Gegenpartei tut dasselbe mit dir. Mit ein wenig Gefühl und Übung lernen Menschen, aufmerksam zu beobachten und genau zu erkennen, was du oder der andere Mensch gerade brauchen. Es geht nicht darum, eine Person mit Argumenten zu überzeugen oder Leute irgendwie umzustimmen. In erster Linie werden hier Gefühle und Bedürfnisse ganz offen mitgeteilt. Der Austausch erfolgt ganz ohne Zwang oder Druck. Ziel ist es, dass die Menschen, die ein Problem haben oder gerade eine Unterhaltung führen, verstehen, was jeder für Wünsche hat. Denn wer versucht andere Menschen zu verstehen, trägt dazu bei, dass Probleme und Streit seltener auftreten. Menschen, die sich besser verstehen, streiten sich weniger. Menschen können weiterhin Meinungsverschiedenheiten haben und Diskussionen führen, welche aber keinen Streit-Charakter aufweisen. Anders gesagt: Menschen tauschen sich zu einem Thema aus und können ihre Meinungen frei äußern. Jeder Mensch versteht, dass sich Meinungen voneinander unterscheiden können und dass jede Person das Recht hat auf Meinungsfreiheit hat. Der Ton der Kommunikation nimmt einen weitaus positiveren Ton an.
Wie wir bereits oben erfahren haben, spielt Kommunikation eine wichtige Rolle in unserem Leben. Nicht selten werden wir durch Worte verletzt oder verhalten uns verletzend gegenüber anderen. Um diesem Problem entgegenzuwirken, sucht die “gewaltfreie Kommunikation” nach der Möglichkeit, einfühlsam zu kommunizieren. Einfühlsamkeit dient als wichtiges Werkzeug, um Probleme zwischen Mitmenschen zu entschärfen.
Wie funktioniert gewaltfreie Kommunikation?
Die meisten Menschen reagieren empfindlich darauf, wenn ein Kommentar oder eine Bemerkung zu ihrer Person fällt. Das gilt vor allem bei negativen Urteilen. Wenn Menschen möchten, dass Streit seltener vorkommt ist das Folgen von wenigen Schritten hilfreich und empfohlen. Im folgenden Beispiel möchte Silvia ihrem Ärger Luft machen, da sie sich vernachlässigt fühlt.
Die gewaltfreie Kommunikation erfolgt in vier Schritten:
- Schritt: Neutrale Beobachtung
-Hier soll in einem ruhigen und respektvollen Ton erzählt werden, was geschehen ist. Was ist passiert? Was wurde von einer anderen Person gemacht, dass hier eine Spannung oder ein Streit entstehen konnte?
Silvia: Wir haben vor drei Wochen vereinbart, dass du dich diese Woche um den Hund kümmerst, da ich gerne mit meinen Freundinnen ausgehen würde. Bis jetzt musste ich immer deine Aufgabe übernehmen. - Schritt: Welche Gefühle entstehen durch diese Situation?
-Ziel ist es hier, dass sich die verletzte Person über die eigenen Gefühle bewusst wird. Das entstandene Gefühl wird aber an dieser Stelle nicht der oder den anderen Personen mitgeteilt. Silvia muss verstehen, wieso sie sich innerlich aufgewühlt fühlt.
Denn Gefühle stehen immer für erfüllte oder unerfüllte Bedürfnisse.
In dieser Situation ist Silvia einfach sauer. Sie hatte sich so gefreut, ein wenig Zeit mit den eigenen Freundinnen verbringen zu können. Ihr Bruder sollte sich diese Woche um den Hund sorgen. Sie muss nun ihre Pläne ändern, weil der eigene Hund ja nicht vernachlässigt werden kann. An dieser Stelle merkt sie, welche Bedürfnisse nicht erfüllt werden, wenn der eigene Bruder sich nicht an die getroffenen Vereinbarungen hält. Das wird sie nun ihrem Bruder mitteilen. - Schritt: Welche Bedürfnisse werden hier nicht erfüllt?
Silvia: Ich möchte diese Woche ein wenig Zeit mit meinen Freundinnen verbringen, die ich seit Wochen nicht sehe.
Ich bin total neugierig, was Maria im Urlaub gemacht hat und ob Miriam mit ihrem Freund umgezogen ist. Dafür möchte ich mich mit ihnen in der Innenstadt treffen und einen guten Cappuccino in unserer Lieblingsbar trinken. Ich vermisse sie so sehr! - Schritte: Äußerung einer konkreten Bitte
Im letzten Schritt äußern Silvia eine konkrete Bitte, der die andere Person nachkommen sollte.
Silvia: Kannst du dich bitte wie ausgemacht um Rolfi (Hund) kümmern und dafür sorgen, dass ihm nichts fehlt?
Wie die jahrelange Anwendung dieser Methode im Alltag und in der Praxis gezeigt hat, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die andere Person ihr Verhalten verändern wird. Silvia ist ohne Vorwürfe und Anmerkungen respektvoll an ihrem Bruder herangetreten und hat ihre Bedürfnisse mitgeteilt. Da ihr Bruder keinen eigentlichen Angriff gespürt hat, wird dieser eher gewillt sein, der Bitte nachzukommen.
Sollte Ihr Bruder dennoch mit „nein“ antworten, kann Silvia nochmals konkret nachfragen: „Was hindert dich daran?“ Oder vielleicht: „Sag mir bitte, was ich dazu beitragen kann, damit du dich um den Hund kümmern kannst.“
Durch das neutrale Hinterfragen zeigen sich oft Sachen oder Hindernisse, die sonst niemals aufgedeckt worden wären. Vielleicht konnte Silvias Bruder der Bitte nicht nachkommen, da er diese Woche an außerschulischen Tätigkeiten teilnehmen muss, die er nicht verschieben kann. Da das Hindernis nun offensichtlich ist, lässt sich leichter eine gemeinsame Lösung des Problems finden.Gelingt es den involvierten Personen, diese Schritte zu verinnerlichen, können Stress und viele Missverständnisse schon im Vorhinein vorgebeugt werden. In der Haltung, dass sowohl ich, als auch mein Gegenüber für unsere jeweiligen Bedürfnisse gerne sorgen möchten und auch gerne dazu beitragen wollen, die der anderen Person zu erfüllen, eröffnet sich ein Raum für gewaltfreie Kommunikation.
Übung macht den Meister
Klarerweise kann eine einzige Methode alleine nicht alle Gewaltsituationen Zuhause lösen. Doch wie Psycholog*innen und andere Fachexpert*innen durch jahrelange Erfahrung berichten konnten, ist die gewaltfreie Kommunikation eine hervorragende Methode, um die eigene Situation zu entschärfen. Bereits die Wahrnehmung und Äußerung von eigenen Bedürfnissen hat dazu geführt, dass Betroffene von Gewalt eine Veränderung einleiten konnten. Andere hingegen haben beschlossen, Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen, falls sich diese nicht in der Lage sahen, von alleine mit einer Gewaltsituation umgehen zu können, was genauso richtig ist.
Abschließend möchten wir dich nochmals auf die weiterführenden Beiträge von SOS@Home hinweisen, wo du mehr über konkrete Themen zu Problemen Zuhause erfahren kannst. Nutze dazu auch unseren smarten Filterprozess, den du hieraufrufen kannst. Dieser unterstützt bei der Suche nach möglichen Hilfsangeboten.
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